Inselhopping auf Estlands westlichen Inseln

Wir beginnen das Hopping mit der Insel Hiiumaa, der nördlichsten von den dreien, die wir besuchen. Hiiumaa ist relativ dünn besiedelt und hat viel Waldfläche. Der Reiz dieser Insel ist die Ruhe und Abgeschiedenheit, die man hier erleben kann. Überall sind kleine Inselchen, die nur den Vögeln gehören, vorgelagert. Hier kommen Flip und Flop unsere beiden Kajaks endlich mal wieder zum Einsatz. Trotz etwas unbeständigem Wetter wollen wir uns auf das Wasser trauen. Unser Standort ist nahezu perfekt. Wir können die Boote auf der windabgewandten Seeseite ins Wasser lassen. Der Wellengang hält sich hier in der geschützten Bucht in Grenzen. Der Stellplatz ist wieder ein RMK-Platz, der allerdings nur mit ein wenig Geschaukel durch den Wald zu erreichen ist. Außer wenigen PKW`s, Zeltgäste mit Enduros und einigen Wanderern hat sich hier keiner hin verirrt. Ein kleiner Hochstand ist prima zur Vogelbeobachtung.

Blick vom Hochstand Säärenina
Kleine Pause

Das Gewitter hat uns verschont. Von weitem konnten wir so das Grollen des Gewitters gut hören. Das Wasser um die Inseln ist hier so flach, dass wir höllisch auf die Steine aufpassen mussten, gerade gegen die Sonne nicht so einfach. Wohlbehalten konnten wir Flip und Flop wieder aufs Dach hieven. Nach zwei wirklich ruhigen Nächten wechseln wir auf die andere Seite der Insel. Wir fahren entlang der einzigen etwas größeren Stadt, um unsere Wasservorräte wieder mit frischem Quellwasser aufzufüllen. Das funktioniert in allen Ländern des Baltikums hervorragend. Das Quellwasser wird auch von den Einheimischen geschätzt und Kanisterweise abgefüllt. In Kärdla gibt es sogenannte artesische Quellen. Hier sprudelt das Wasser ohne Pumpe von unten nach oben aus dem Boden. Das Quellbecken liegt etwas unterhalb des Grundwasserspiegels und steht daher unter Druck und drückt das Wasser nach oben.

Artesischer Brunnen

In der Nähe des Fährhafens nach Saaremaa. Hier parken in der Nähe des Leuchtturms. Etwas wild unter einigen Bäumen finden wir ein verstecktes Plätzchen für die Nacht.

Letzte Nacht auf Hiiumaa mit besonderem Flair und
Sonnenuntergang par excellence.

Am nächsten Morgen geht es bereits gegen 11 Uhr auf die Fähre. Zwischen den beiden Inseln verkehren nur drei Fähren am Tag, so dass wir uns an die Zeit halten mussten. Aber wie wir bereits festgestellt haben, hier ticken die Uhren anders. Alles geht ruhig und ohne Hektik, kein Gedränge. Hier gibt es einfach weniger Menschen auf einem Fleck. Estland hat so viel Strand an Seen, Flüssen und dem Meer, da gibt es für jeden Platz zum entspannen. In einer Stunde sind wir auf Saaremaa. Wir fahren bis Undva und finden einen Platz in der Nähe der Klippen Suuriku und Kuriku, die zweithöchsten Steilhänge und geologisch ganz interessant. Hier lassen sich in den Wänden noch einige Fossilien entdecken. Bis 1990 während der Besatzung der Sowjetischen Armee war dieses Gebiet eine Radarstation und komplett abgesperrt. Reste davon sind heute noch sichtbar. Nach dem Regen wandern wir entlang der Klippen und hören den Vögeln zu. Oberhalb der Klippen gibt es ausgedehnte Wachholderheideflächen.

Ein Fußabdruck?
Parken am Fuße der Klippen.

Da das Baden hier eher nicht so gut geht, fahren wir am nächsten Morgen „mal eben“ auf die andere Seite der Landzunge. Bernd gibt die Stelle mit Sandstrand in sein Navi ein und los gehts. Zunächst gibt es den üblichen Schotterweg, der aber nach der nächsten Abbiegung in einem Waldweg übergeht und wir plötzlich auf einem Weg sind, vor allem nach dem gestrigen Regen, der absolut 4×4 adäquat ist. Der Untergrund ist nicht einmal das größte Übel. Der Bewuchs wird immer dichter, so dass ich mich von Ast zu Ast hangeln muss, um sie von unserem Auto fern zu halten. Schlussendlich muss dann tatsächlich die Säge zum Einsatz kommen. So können 6 km schon einmal seeehr lang werden. Letztendlich haben wir die Küste erreicht und mein Bad im Meer habe ich mir mehr als verdient.

Erfrischt fahren wir weiter und trudeln in Kuressaare ein. Hier findet gerade das jährliche Opernfestival statt. Hinter der Ahrensburg ist ein riesiges Zelt aufgebaut, in dem die Aufführungen stattfinden, mit dem Ergebnis, dass wir am Abend auf unserem Parkplatz auch noch etwas von Puccinis Oper La Boheme, zumindest akustisch, hatten.

Burganlage Ahrensburg in Kuresaare
Essen gehen in der Windmühle
Hinter der Burg gibt es einen großen Badeplatz mit Dusche und Toiletten.

Die Nacht auf dem Parkplatz ist nicht ganz so ruhig wie wir es bisher so hatten, aber es war ok. Heute steht ein wenig Sight Seeing auf dem Programm. Wir fahren durch das Inselinnere und sehen uns den Meteoritenkrater, die Windmühlen von Angla und eine Burgruine an um uns dann auf Muhuu einen Platz. Für die Nacht zu suchen.

Nicht spektakulär der Krater, aber dennoch besonders.
Bernd interessierte sich da eher für die alten verrosteten Trecker als für die Mühlen, die es in Münster im Freilichtmuseum auch zu sehen gibt.
Die Burgruine Maaslinn wird weiterhin restauriert, man kann aber schon darin rumlaufen.

Über eine Brücke gelangen wir auf die kleinere Insel Muhuu. Hier gibt es viele schöne mit Reet gedeckte Häuser. In dem Ort Liva gibt es alles, was wir für unsere weitere Fahrt benötigen. In einer versteckten unscheinbaren Hinterstube wird das typische etwas süßliche Schwarzbrot direkt frisch aus der Backstube heraus verkauft. Davor gibt es einen Fischladen, in dem ich für das Abendessen einen leckeren geräucherten Fisch kaufe.

Die letzte Nacht auf der Insel wird diesmal wieder durch einen Platz in Alleinlage und rundum Sicht gekrönt.
😍

Die Fährfahrt ist diesmal unkompliziert. Wir fahren einfach zum Hafen und schon sind wir wieder auf der Fähre Richtung Festland. Zwischen Muhuu und dem Festland gibt es zahlreiche Fahrten, fast im Stundentakt. In einer halben Stunde ist die Überfahrt geschafft.

Jetzt sind es nur noch drei Tage, die wir im Landesinneren an den zahlreichen Flüssen verbringen wollen.

Estlands wilde Nordküste

Wir fahren vom nordöstlichsten Ort Narwa über Jöhvi, wo wir unsere Gasflasche auffüllen lassen, immer möglichst an der Küste entlang. Die Besiedlung an der Steilküste ist spärlich. Bis auf ein paar ausgetrocknete oder nur spärlich tröpfelnde Wasserfälle gibt es viele Klippen und wilde Steinstrände. Überall sieht es aus als wenn jemand wahllos die großen Felsen ins Meer geworfen hätte. Fürs Kajakfahren eine heikle Angelegenheit, wenn plötzlich ein Stein nahe der Wasserroberfläche auftaucht. Als erstes steuern wir die Klippen bei Valaste an.

Sehr interessant sind die verschiedenen Gesteinsschichten, die hier sichtbar werden. Der Wasserfall ist nicht wirklich sichtbar.
Über eine spannende Treppenkonstruktion geht es runter zum Meer.

Ein paar Kilometer weiter gibt es die Möglichkeit mit dem WoMo bis unten an den Strand zu kommen. Eine große Wiese und ein Sandplatz mit einem Zugang zum kleinen Sandstrand hübsch gespickt mit großen Felsen. Hier entlang führt auch der Küstenwanderweg. Mit einem weiteren WoMo verbringen wir hier eine ruhige Nacht.

Am nächsten Tag geht es weiter mit einigen Zwischenstopps. In Toolse erkunden wir die Ruine, die als solches zwar gesichert, aber nicht restauriert wurde. Wieder eine der Burgen des livländischen Ordens.

Burg Toolse
Schön zum herumklettern.
Pärispea am nördlichsten Zipfel Estlands
Einige Wanderwege führen auch durchs Wasser.

Von der nordöstlichsten Stelle Estlands finden wir am nördlichsten Punkt einen wunderschönen Stellplatz, der zwar sehr windig ist, aber dafür einen fantastischen Ausblick rundherum bietet. Mein Versuch bis an den letzten Zipfel zu wandern scheitert leider. Auf nasse Füße hatte ich heute keine Lust. Einige vorgelagerte Inseln auf die auch Wanderwege führen, sind tatsächlich nur per nassen Fußes zu erreichen. Um nicht die ganze Nacht vom Wind durchgerüttelt zu werden, suchen wir uns ein paar Meter weiter ein etwas geschützteres Plätzchen. So können wir auch noch unseren Grill auspacken und im Windschutz unser Abendessen zubereiten.

Um Tallin machen wir in diesem Jahr einen Bogen und fahren etwas nordwestlich davon auf die Landzunge Paldiski. In windgeschützter Nordost-Lage finden wir mit ein bisschen Geschick einen Premiumplatz direkt an der Steilkante. Entlang der Küste hat der Forstbetrieb drei wunderschöne freie Camps hergerichtet. Hier halten wir es direkt zwei Nächte aus. Da wir kein Wochenende haben, gibt es immer nur eine handvoll weitere Camper, die diesen schönen Platz nutzen. Morgens kommt der Ranger und bringt eine neue Fuhre Lagerfeuerholz.

Premiumplatz
So lässt es sich aushalten.
Auf der Wanderung zur Landspitze liegen herrliche einsame Sandstrände.
Steilküste vor Paldiski
Am Ziel meiner Wanderung angekommen, gibt es einen Leuchtturm, eine nackte Frau und ein geschlossenes Café, ☹️.
Auf dem Rückweg konnte ich noch eine gute Portion Blaubeeren pflücken. 😋

Heute entfernen wir uns etwas von der Küste und navigieren unser WoMo Richtung der westlichen estnischen Inseln. Auf dem Wege dorthin gibt es für mich noch einen Schwimmstopp am Rummu See, den wir vom letzten Jahr noch in guter Erinnerung haben. Diesmal nehmen wir einen frei zugänglichen Badeplatz. Hier ist trotz Regen richtig was los. Eine Tauchschule ist mit mehreren Schülern vor Ort und auch einige Wohnmobile treffen wir dort. Aber es ist reichlich Platz. Trotz Platzregen nehme ich ein herrlich erfrischendes Bad in dem superklaren Wasser.

Rummu Baggersee

Laut Reiseführer lohnt es sich einen Zwischenstopp in der kleinen Hafenstadt Haapsalu zu machen. Gleichzeitig gibt es dort auch noch die Möglichkeit Wasser zu zapfen. In Haapsalu findet an diesem Wochenende ein Volksfest statt. Unzählige Essensbuden stehen entlang der Altstadtstraßen. Gut, dass wir uns direkt zu Anfang mit köstlichem armenischen Schaschlik versorgt haben, so dass wir den weiteren kulinarischen Verführungen widerstehen konnten. Gut gesättigt und beeindruckt von der schönen Atmosphäre dieses Städtchens, versuchen wir unser Glück und fahren zum Fähranleger, um auf die Insel Hiiumaa überzusetzen. Wir haben Schwein und können fast direkt auf die Fähre fahren. Es ist noch reichlich Platz und der Preis ist für 1,5 Stunden Fährfahrt ist mit 20 € wirklich fair.

Über Tartu zur Zwiebelstraße am Peipsisee

Durch die schöne Landschaft des Haanja Nationalparks starten wir unsere Rundreise durch Estland. Ganz im Südosten ist es für Estland recht ungewöhnlich hügelig. Einen schönen Rundblick über die vielen Seen und Wälder hat man von dem Aussichtsturm Suur Munamäägi.

Aussichtsturm mit Aufzug

Weiter im nächsten Ort Rouge konnte ich noch schnell ein Bad in einem Seen nehmen. Parken direkt am See mit einem tollen Sandstrand direkt im Dorf. Überdachte Sitzmöglichkeiten laden zum Verweilen ein. Also haben wir direkt unsere obligatorische Kaffeepause drangehängt und die leckeren lettischen Kekse genossen. So gestärkt und erfrischt sind wir direkt bis Tartu durchgestartet. Unser Womo haben wir in der Nähe der Altstadt direkt hinter dem Bauernmarkt auf dem großen Parkplatz am Fluss abgestellt, eigentlich mit dem Vorhaben hier die Nacht zu verbringen. Tartu ist gerade im Kulturfieber, denn die Stadt soll im nächsten Jahr einer der Kulturstädte 2024 werden. Entlang der Promenade gab es Gesang und anschließend ein Freiluftkino. Die Atmosphäre ist wie wir bisher in allen baltischen Städten es kennengelernt haben, entspannt und sommerlich. Auf dem Marktplatz sitzen die Leute in der Sonne und genießen einfach. So machen wir es auch.

Europäische Kulturhauptstadt 2024
Der Marktplatz von Tartu.
Eine der zwei Universitäten von Estland ist in Tartu.

Nach einem gemütlichen Essen in einer Seitengasse gehts zurück zum WoMo. Unser Auto ganz alleine auf dem großem Parkplatz. Irgendwie ist uns nicht wohl dabei und wir entscheiden uns ein paar Kilometer außerhalb einen Übernachtungsplatz an einem See zu suchen, in der Hoffnung, dass wir trotz Wochenende keinen nächtlichen Parties beiwohnen müssen. Der Plan geht auf. Es stehen zwar schon ein paar wenige Autos, Wohnmobile, Wohnwagen und ein Zelt dort, aber es ist noch genug Platz für unser WoMo vorhanden. In der Nacht kommen noch weitere Gäste, die ihre Zelte aufbauen und noch ein Lagerfeuer entzünden, trotzdem bleibt es ruhig. Am nächsten Morgen sehe ich, dass die nächtlichen Gäste Taucher sind und in der Nacht die Unterwasserwelt des glasklaren See erkundet haben. Es gibt schon verrückte Hobbys. Am Morgen bauen sie die Zelte wieder ab und verschwinden wieder. Nach dem ich ein paar Bahnen hin und her geschwommen bin, geht es für uns auch weiter bis an den Peipsisee. Das Wetter ist hervorragend und wir nutzen den Sonntag, um am Strand ein wenig auszuspannen.

An dem Strandplatz ist alles vorhanden. Grillhütte, Beachplatz und eine Trockentoilette.

Am nächsten Tag geht es entlang der Zwiebelstraße durch die Dörfer der russischen Altgläubigen, die in Russland im 17. Jahrhundert verfolgt wurden und auf die estnische Seite des Sees geflohen sind. Sie bauen traditionell Zwiebeln und Knoblauch an und verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Fischer und Handwerker. Die Produkte kann man an der Straße bzw. in den Dörfern kaufen, daher auch der Name Zwiebelstraße.

Typische Kreuze auf dem Friedhof der Altgläubigen russisch-orthodoxen Gemeinde.
Regionalen Produkte vom Peipsisee
Barsch aus dem Peipsisee.
Dorfstraße in Kallaste
Rote Steilklippen mit Nisthöhlen der Uferseeschwalben.
Kunstwerk in Mustvee,

In Mustvee konnten wir im Hafen Trinkwasser bekommen und uns mit regionalen Produkten eindecken. Weiter Richtung Norden gibt es richtig tolle Sandstrände. Am RMK-Platz in Kauksi telkimisala haben wir unsere zweite Nacht am See verbracht. Da wir bereits im Juli sind, ist der Peipsisee schon recht warm und dadurch auch schon etwas trübe. Aber ansonsten war alles topp.

Trotz der Größe und der vielen Besucher am letzten Wochenende sieht der Platz sehr sauber aus.
Bis man nicht mehr stehen kann, muss man schon sehr weit reinlaufen.
Die andere Seeseite auf russischer Seite ist 50 km entfernt.

Vom Peipsisee fahren wir zunächst nach Pühtitsa zum Nonnenkloster von Kuremäe. Hier wohnen noch 100 Ordensschwestern des russischen Ipatios-Ordens, gegründet 1891 von 3 Nonnen. Das Klostergelände ist wirklich sehr sehenswert und für die Öffentlichkeit zugänglich.

Tolle gepflegte Gartenanlagen.
Die Klosterkirche von Kuremäe.

Weiter geht unsere Reise bis ans nordöstlichstes Ende von Estland. Hier hätten wir zu anderen politischen Zeiten gerne unsere Reise bis St. Petersburg fortgesetzt. Heute ist für uns an der russischen Grenze bei Narva Schluss. Wir schauen über den gleichnamigen Fluss auf die andere Seite, auf der bereits Russland beginnt. Die Grenze ist für Touristen erst einmal von beiden Seiten geschlossen. Interessant sind die einzigen Überbleibsel aus den ganzen Kriegen, die mächtigen Festungen auf beiden Seiten des Flusses und das alte Rathaus. Alles andere ist zerstört und nicht wieder aufgebaut worden.

Festung Hermanni linnus auf estnischer Seite
Und die Festung Iwangorod auf russischer Seite. Früher waren beide Festungen eng verbunden, heute leider nicht mehr.
Das gerade frisch renovierte alte Rathaus in Narva. Links daneben steht ein sehr modernes neues Rathaus (nicht im Bild)
Ein kräftiger Regenschauer lässt uns in einem russischem Restaurant, natürlich auf estnischer Seite, eine Chance auf eine gute rote Beete-Suppe. Narva besteht zu fast 100% aus ehemals russischen Einwohnern.